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Tango - Zeit für Zärtlichkeit

Drei orange-gelbe Formen - Flammen, Blüten, aufgeschnittene Früchte? - erheben sich in schräger Linie - oder kommen sie herabgeschwebt? - genau über der Trennlinie zwischen einer grünen und einer blauen Fläche - Wiese und Nachthimmel? Deutet man aber den blau-grünen Fleck im Winkel zwischen diesen beiden Linien als Schatten, wird der Himmel, wieder einmal zur Wasserfläche, auf der die Figuren in die Tiefe des Raumes hineinschwimmen. Dieses Gemälde ("Don`t forget to remember me") bildet übrigens den Mittelteil eines Triptychons, dessen Seitenteile je ein tangotanzendes Paar („Lichtspiele“) zeigen, das linke in geschlossener, das rechte in gelösterer Haltung; entsprechend sind die Farben des "Hintergrundes" (da es keine Schatten gibt, ist nicht eindeutig, ob die Gestalten stehen oder schweben) links dunkler, rechts sonniger.

 

Tangotanzende Paare stellen ein häufiges Motiv dar - die Künstlerin ist eine begeisterte Tangotänzerin. Auf dem Bild "Na - und?" scheint der Mann seine Partnerin zu tragen oder nur das Knie ihres einen erhobenen Beines zu umfassen, während ihr anderes, in einer weiten Schrittstellung, eine Parallele zu seinem bildet. Dieser Effekt kommt dadurch zustande, dass sein langer Daumen, im weißen Handschuh, ihren Oberschenkel in zwei zu teilen scheint, während die Trennlinie zwischen seinem und ihrem Bein - beide haben die gleiche Farbe - ebenfalls weiß ist wie eine Falte in seinem Hosenbein und darum ebenfalls als Falte gesehen werden kann.

 

Bei einem anderen Paar ("Zeit für Zärtlichkeit") ist es sehr zweifelhaft, ob die Farben seiner Kleidung harmonieren oder "sich beißen", das Urteil darüber hängt davon ab, ob man die Farben des Hintergrundes - das große Ganze? - einbezieht oder nicht.

 

Ein drittes Paar "Zier` dich nicht" ist eng umschlungen, aber durch ihre farblich unterschiedene, stark kontrastierende Kleidung (gelb und dunkelblau) wirkt jeder Teil in sich verschlossen, gleichzeitig bildet sich aus dem hellen Grünblau des Hintergrundes eine schemenhafte dritte Gestalt, die, undeutlicher, aber plastischer als die beiden anderen, am weitesten nach vorne drängt; sie hat keinen Kopf, oder dieser löst sich in Farbschleiern des Bildraumes auf.

 

Auf dem Bild "Im Milongarausch", das zwei tanzende Paare zeigt, scheint eine rote, wolkenartige Struktur, die an wehende Haare oder Schleier erinnert, die Bewegung des hinteren Paares in die Tiefe des Bildraumes hinein zu unterstreichen, während das gelbe Kleid der Frau dem/der BetrachterIn "entgegenspringt"; aus diesem Gegensatz entsteht eine drehende, wirbelnde Bewegung, die den Blick ergreift.

 

Diese Effekte drängen sich aber nicht auf; man muss sich auf das Bild einlassen, von seiner Bewegung mitnehmen lassen, kann sie aber auch ein wenig lenken und sich so frei im Raum bewegen. Da es sich um Räume handelt, die keine eindeutige Perspektive haben, und meist keine konkreten Personen, sondern - mehrdeutige - Situationen dargestellt sind - teilweise werden die Figuren sogar einfach ausgespart, Raum im Innenraum - wird es je nach Gestimmtheit jedes mal ein anderes Erleben sein.

 

Wenn auch zumindest die größeren Formate viel Platz benötigen - sie müssen aus der Distanz betrachtet werden und brauchen Raum um sich, da sie sich in vorgegebene Räume nicht einfach "einbauen" lassen noch sie vergrößern wie ein "konventionelles" Landschaftsbild, sondern die Möglichkeit schaffen, sich in einen völlig anderen (Erfahrungs-) Raum zu begeben, so können sie doch in ihrer Vieldeutigkeit gut zu "Mitbewohnern" werden, in deren Gegenwart einem wohl ist und die doch zu immer neuer Auseinandersetzung - auch mit sich selbst - herausfordern.

 

Anne Fröhlich, Juli 2001

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